Letzte Aktualisierung am Dezember 23, 2025 by Christian Heide
Eine besondere katalanische Tradition ist der Bau von Menschentürmen – sogenannte „Castells“, was auf Katalanisch „Burg“ bedeutet. Menschen bauen dabei eine hohe Pyramide, indem sie sich gegenseitig auf die Schultern klettern und so mehrere Ebenen bilden. Die Basis besteht aus vielen Personen, die das Gewicht tragen, während sich die Struktur nach oben hin verjüngt. Die Tradition reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück und hat ihren Ursprung in der Region Tarragona, wo sie sich aus religiösen Tänzen entwickelte. Gruppen von sogenannten „Colles“ begannen bald, miteinander um den Bau der höchsten und anspruchsvollsten Türme zu konkurrieren – sieben oder acht Ebenen waren schon früh problemlos möglich.
Während der Franco-Ära waren die Castells jedoch verboten, da der Diktator jede Art von regionaler Kultur in Katalonien und anderen Gegenden wie dem Baskenland systematisch unterdrückte. Auch das Sprechen der eigenen Landessprache war untersagt. Öffentliche Aufführungen katalanischer Traditionen galten als politischer Widerstand. Erst nach dem Tod Francos kam es zu einer Wiederbelebung der Castells, die mit der Rückkehr demokratischer Freiheiten einherging. Die Tradition gewann schnell an Bedeutung und wurde zu einem sichtbaren Symbol der katalanischen Identität.
Seit einiger Zeit dürfen auch Frauen „Castellers“ werden, was einen entscheidenden Wandel mit sich brachte. Aufgrund ihres geringeren Gewichts wurde es möglich, die Türme noch höher zu bauen und sogar eine oder zwei zusätzliche Ebenen hinzuzufügen. Diese Entwicklung markierte den Beginn des zweiten goldenen Zeitalters der Castells ab den 1980er Jahren, das von technischen Innovationen, wachsender Professionalität und zunehmendem öffentlichen Interesse geprägt war.
Wahrscheinlich trug noch ein weiterer wichtiger Aspekt zu diesem zweiten goldenen Zeitalter bei: die soziale Komponente des Menschenturmbaus. Einerseits erfordert der Aufbau körperliche Kraft, Koordination, Balance, Mut und große Achtsamkeit gegenüber den anderen Beteiligten. Andererseits verbindet er Menschen unterschiedlicher Altersgruppen, Geschlechter und sozialer Schichten. Besonders die jüngere Generation hat das Bauen von Menschentürmen als sinnstiftendes Hobby für sich entdeckt und in engagierten Clubs wie dem „Castellers de Barcelona“ (gegründet 1969) einen regelrechten Boom ausgelöst.
Besonders beeindruckend ist der sogenannte „Enxaneta“ – meist ein kleines Kind, das den Turm krönt und zum Abschluss den Arm zum Gruß in die Höhe streckt. Dieser Moment gilt als emotionaler Höhepunkt und sorgt regelmäßig für Gänsehaut im Publikum, da er symbolisch den Erfolg des Teams, gegenseitiges Vertrauen und den starken Zusammenhalt einer Gemeinschaft widerspiegelt. Heute gehören die Castells zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO und gelten weltweit als kraftvolles Symbol für die Stärke und Lebendigkeit der katalanischen Kultur.
Straßenkunst in Barcelona
Auf dem Platz Plaça de Sant Miquel, direkt neben dem Rathaus an der Plaça de Sant Jaume, findest Du ein interessantes Kunstwerk im Zusammenhang mit der akrobatischen Tradition: Eine stilisierte Version eines menschlichen Turms. Dieses Denkmal für die Castellers wurde vom lokalen Künstler, Bildhauer und Autor Antoni Llena i Font (geboren 1943 in Barcelona) geschaffen. Er wollte ein Denkmal schaffen, mit der doppelten Höhe der Menschentürme, um den Ansporn darzustellen, immer höher klettern zu wollen. Er wollte auch die Zerbrechlichkeit und Stärke einer Burg zeigen.


Die Form dieser Skulptur ist von Metallgeflecht inspiriert. Die Idee entstand eines Tages, als der Künstler Cava kaufen ging, den katalanischen Champagner. Die Verschlüsse der Flaschen weisen dieses Geflecht auf. Er bemerkte, dass das Material „eine sehr schöne Abstraktion zum menschlichen Turm machen würde, weil es die Idee von Zusammenhalt, Zerbrechlichkeit und Transparenz enthält“. Also nahm er den Verschluss mit in sein Studio und begann mit der Arbeit an seinem Projekt. Heute zählt die Skulptur zu den beliebtesten Fotomotiven der Altstadt und wird von Einheimischen wie Touristen gleichermaßen als modernes Symbol katalanischer Identität wahrgenommen.
Aktivitäten in Barcelona
Während des La Mercé-Wochenendes (um den 24. September herum), wenn Barcelona in einer Reihe von Festtagen seine Schutzpatronin feiert, kannst Du die Castellers live sehen. Sie treten auf der Plaça de Sant Jaume an. Wenn Du in der Stadt bist, solltest Du dort vorbeikommen und das Spektakel genießen!
Erfahre mehr über Straßenkunst während unserer privaten deutschen Stadtführung durch Barcelona: Entdecke verborgene Gassen mit einem Freund. Bei dieser historischen Stadtführung durch die Gassen der Altstadt entdeckst Du mehr als nur das Übliche: Enge Straßen und malerische Plätze abseits des Massentourismus. Entkomme den Massen und genieße das authentische Barcelona!
Besuche eine Schule der Castellers in Barcelona. Viele Gruppen veranstalten offene Proben, bei denen Du zuschauen und manchmal sogar Teil der Basisformation werden kannst. Vereine wie die Castellers de Barcelona heißen neugierige Gäste willkommen, und geführte Touren bieten einen praktischen Einblick in diese einzigartige katalanische Tradition von Teamwork, Balance und Gemeinschaft.